Der gefundene Vater
Mit etwa 12 Jahren offenbarte mir meine Mutter, dass mein leiblicher Vater ein Soldat der Roten Armee gewesen sei. Das überraschte mich und dieser unbekannte Vater schien mir damals ein Trost zu sein, denn mein Stiefvater war nicht die beste Wahl meiner Mutter. Als Kind stellt man sich vor, das könne nur der bessere Vater sein…natürlich ist das illusionäres Denken. Kann aber helfen. –
Als Erwachsene versuchte ich mehrfach mit meiner Mutter darüber zu reden, was denn mein“ Schöpfer“ für ein Mensch gewesen sei und wie er denn hieß. Sie lehnte ab, mit mir darüber zu sprechen. Wahrscheinlich ist es zu schmerzvoll für sie gewesen. Erst 2010, ein Jahr bevor sie starb, entlockte mein Mann ihr dessen Namen.
Es folgten Jahre des vergeblichen Suchens nach dem Verbleib meines Vaters. Erst 2017 stieß ich im Internet auf den „Russenkinder e.V.“ und schrieb Anatoly Rothe einen kurzen Brief, in dem ich ihn um Unterstützung meiner Bemühungen bat. Kaum war mein Brief bei ihm eingegangen rief er mich an und meinte, wir hätten angesichts unseres Alters keine Zeit zu verlieren und schlug mir sofort verschiedene Recherchewege vor. Er übermittelte mir Adressen von Archiven. So fragte ich beispielsweise beim Moskauer Staatlichen Militärarchiv, beim Archiv der Armee in Podolsk , beim Bürgermeister in Zlatoust (Tscheljabinsk) und schließlich bei Dienststellen des FSB an. Immer reagierte man auf meine Schreiben. Am vermeintlichen Ende meiner Nachforschungen hielt ich ein Foto von Hamit Mendijarowitsch Israkow in den Händen, kannte sein Geburtsjahr, erfuhr, dass er Tatare war und als ein sehr tapferer Kämpfer mit hohen militärischen Auszeichnungen bis nach Berlin gekommen war.
Bis 2019 hielt mich meine Vatersuche in Atem und ich war über das Ergebnis glücklich. Wie es schien, konnte ich nicht mehr erwarten. Doch im Januar ein gänzlich unerwarteter Paukenschlag. Eine Journalistin vom Fernsehen in Jaroslawl nahm die Spur von Hamit, den meine Mutter als Michail kannte, auf und ihr gelang es zu ermitteln, dass er geheiratet hat und einen Adoptivsohn hatte, der leider schon verstorben ist.
Nun gibt es für mich einen Kontakt mit der Enkelin von Hamit, die mir schon Fotos geschickt hat und bereit ist, weitere Informationen zu senden. Ganz sicher werde ich mit ihrer Hilfe erfahren, wer mein Vater war. Kann ihn noch kennenlernen, was ich als großes Geschenk empfinde.
Der lange Weg des Suchens hat sich gelohnt. Ohne die Hilfe des Vereins wäre ich bestimmt nicht so weit gekommen. Danke und nochmals Danke.
Nina Michaela
28. 1. 2022