(Stand 6. Mai 2017)
Rechtliches und Staatliches
Versuchen wir einmal, das Problem der Suche nach dem Vater von der staatlichen Organisation und der rechtlichen Seite zu betrachten.
Fassen wir kurz zusammen:
Sowjetische Armeeangehörige haben nach dem Sieg über Nazideutschland mit deutschen, österreichischen und dänischen Frauen unter verschiedenen Umständen Kinder gezeugt. Dänisch, weil die Insel Bornholm nicht kapitulierte und von der Roten Armee für fast ein Jahr besetzt wurde.
Wir wollen unser Augenmerk auf die Besetzung der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der sich daraus entwickelnde DDR richten.
Anfangs wurden nach Bekanntwerden der Schwangerschaften die Väter gewöhnlich versetzt und verschwanden. Dazu gibt es wenig Bekanntes. Aussagen wie – die Militärpolizei holte sie alle ab, sie wurden nach Sibirien in Lager geschafft etc. - wurden in die Welt gesetzt, sicher wird es solche Fälle gegeben haben, sind aber für die Allgemeinheit wenig belastbar.
Auskünfte über den Verbleib wurden verweigert, die Mütter waren von ihrer Situation eingeschüchtert.
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Sehen wir uns einmal die Situation dieser Armee genauer an.
1. Sie war dadurch gekennzeichnet, dass sie nach Ende der Kriegskampfhandlungen Befehl hatte, die Ordnung im besetzten Gebiet wiederherzustellen. Das beinhaltete die Verhaftung von aktiven, an Verbrechen beteiligten Nazis, Schaffung der Lebensgrundlagen für die Bevölkerung, die Bekämpfung von Kriminalität, um nur einige zu nennen.
Beispiele finden sich unter Dippoldiswalde Befreiung und Besatzungszeit und
Der Kreis Pirna unter Besatzungsrecht
http://www.geschichte-pirna.de/Deutschland%20unter%20Besatzungsrecht.pdf
Aufbau deutscher Selbstverwaltungsorgane
http://www.geschichte-pirna.de/Selbstverwaltungsorgane.pdf
Entnazifizierung in Pirna
http://www.geschichte-pirna.de/Entnazifizierung.pdf
Es wurden zum Aufbau einer neuen Ordnung, die natürlich als Ziel die sowjetische Ausprägung hatte, Deutsche herangezogen, die aktiv gegen die Nazis gekämpft hatten, deutsche Emigranten, die in der Sowjetunion auf diese Aufgabe vorbereitet worden waren, Teile der Bevölkerung, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen, selbst kleine Naziparteigenossen, die einfach nur Mitläufer waren.
Man muß sich das so vorstellen, dass die Armeeoffiziere, die vorher ausschließlich militärische Aufgaben wie Angriffe planten, die Versorgung der eigenen Truppe organisierten, Aufklärung über den Gegner beschafften etc. mit einem Male den Aufbau von Verwaltungen in den Ortschaften, Städten, Kreisen und Provinzen zu bewältigen hatten. Darauf waren sie nicht vorbereitet. Sie gingen mit mehr oder weniger Geschick an die Lösung dieser Aufgaben heran.
2. In einer Armee haben die Vorgesetzten Befehlsgewalt über ihre Untergebenen. Ein Zugführer über die Soldaten in seinem Zug, der Kompaniechef über seine Kompanie etc. Das geht bis zum Oberbefehlshaber der Armee.
Diese Befehlsgewalt geht bis zu Leben oder Tod. Befehle sind unbedingt auszuführen, sofort und widerspruchslos.
Auf dieser Maxime beruhen ja gerade alle Armeen auf dieser Welt.
In der Roten – später Sowjetarmee kamen politischen Kommissare hinzu. In einem sozialistischen Land gab die Partei die entsprechenden Vorgaben, in welche Richtung die Entwicklung gehen soll.
Daraus kann geschlossen werden, dass in den Fällen - sowjetischer Armeeangehöriger zeugt Kind mit deutscher Frau - die Entscheidung bei den Vorgesetzten lag.
3. Zum Ende der Kampfhandlungen verfügte die Rote Armee über 1,5 Millionen Soldaten und Offiziere in der sowjetisch besetzten Zone. Noch im Mai 1945 begann die Rückverlegung von Truppen in die Heimat. Ende 1947 hatte sich die Gruppierung auf 350 000 Mann reduziert ((1)Hoffmann, Stoof, Seite 28, 33).
Das hatte mehrere Gründe. Zunächst war die deutsche Wehrmacht zerschlagen und es bestand keine Notwendigkeit mehr, diese Anzahl von Truppen in der SBZ zu unterhalten. Ein großer Teil der zurückgeführten Truppen wurde demobilisiert und für den Aufbau des von den Deutschen zerstörten Landes benötigt.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Sowjetunion 27 Millionen Tote durch den Krieg zu erleiden hatte. Und so konnten jetzt in großer Zahl junge und ältere Männer für den Wiederaufbau eingesetzt werden.
Hier ergaben sich für die Vorgesetzten von werdenden Vätern die Möglichkeit, die Betroffenen auf eine einfache Weise abzuschieben.
So geschehen im Falle des Schreibers dieser Zeilen.
Solche Fälle sind besondere Vorkommnisse, die gemeldet werden, vielleicht kein gutes Licht auf die Arbeitsweise der Kommandeure werfen etc. Es war eine unauffällige Möglichkeit, sich dieses Problems zu entledigen.
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In Ostdeutschland/DDR kam es später zu Erleichterungen, die Mütter hatten gewöhnlich die Namen und Adressen der Väter, es konnten Ehen geschlossen werden. In solchen Fällen griffen die Familien- und Unterhaltsgesetze des Landes, in dem sich die Familie niedergelassen hatte.
Aber auch hier verschwanden manchmal Väter einfach. Sie flüchteten vor der Verantwortung. Für die betroffenen Frauen nicht leicht zu akzeptieren, aber ein gewöhnlicher Vorgang, der in allen Milieus der Welt vorkommt.
Noch ein Aspekt dazu. Die jungen Männer gaben gewöhnlich einen Namen an. Jetzt stellt sich heraus, dass man in manchen Fällen zu diesen Namen keine Auskunft bekommt. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Sie haben nicht ihre richtigen Namen angegeben, sei es aus Furcht, schließlich herrschten anfangs stalinistische Verhältnisse, oder sie haben ihre Beziehungen nicht ernsthaft gemeint. Schließlich noch, dass der Betroffene Fahnenflucht oder sonst ein schweres Vergehen begangen hatte.
Wenn man des Vaters nicht habhaft wurde, konnten auch keine Unterhaltsansprüche gestellt werden.
Kannte man seinen Namen und seine Adresse, bestand die Möglichkeit, ihn in der Sowjetunion aufzusuchen und zur Rede zu stellen. Uns ist kein solcher Fall bekannt geworden.
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Zwei rechtliche Aspekte sind zu erwähnen
- Die Verjährungsfristen für Unterhaltsansprüche sind längst abgelaufen und können nicht mehr gestellt werden.
- Ansprüche weiterer Art sind durch die Gesetze der jeweiligen Länder geregelt. Hier ist an das Erbrecht zu denken. Zur Durchsetzung ist zweifelsfrei die Verwandtschaft festzustellen.
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Die Sowjetunion gab bis zu ihrem Ende keine Auskünfte bei Anfragen nach dem Vater.
Ab 1993 konnten interessierte Russenkinder ihre Anfragen nach ihren Vätern an das Archiv des russischen Verteidigungsministerium in der Stadt Podolsk bei Moskau richten. Ebenso wurde es möglich, Anfragen an das RGVA-Archiv in Moskau, in welchem der NKWD-Kader geführt wird, zu richten.
Voraussetzung war der Name des Vaters. Bis zum Jahr 2015 wurden diese Anfragen beantwortet.
Ab 2016 gab es aus Podolsk mit widersprüchlicher Erklärung zeitweise keine Auskünfte mehr. Inzwischen werden Anfragen wieder beantwortet.
Das RGVA in Moskau erteilt die Auskünfte weiter.
(1) Hans-Albert Hoffmann, Siegfried Stoof „Sowjetische Truppen in Deutschland und ihr Hauptquartier in Wünsdorf 1945 – 1994 / Verlag Dr. Köster Berlin
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Wird fortgesetzt